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»The Outrun« ist der neueste Spielfilm der deutschen Regisseurin Nora Fingscheidt, der seine europäische Premiere auf der diesjährigen Berlinale feierte. Wie bereits in ihrem zu Recht hochgelobten »Systemsprenger« geht es hier um eine junge Frau, die sich mit ihren Grenzüberschreitungen sozial nicht einzuordnen weiß und aufgefangen werden muss. Der Film beruht auf den Memoiren von Amy Liptrot, in denen sie den Kampf mit ihrer Alkoholsucht schilderte und wie dieser sie wieder in ihre Heimat brachte. Der Film bleibt dabei der Vorlage treu, ändert aber Namen und fügt die eine oder andere Begebenheit hinzu, um das Innenleben seiner Protagonistin zu schildern. Rona (Saoirse Ronan) gab sich in London jahrelang dem Alkohol hin, bis ein Absturz sie wachrüttelte. Sie kehrt in ihre Heimat, die schottischen Orkney-Inseln, zurück. Dort verbringt sie ihre Tage mit Spaziergängen und Besuchen von Therapiegruppen und ihrer Familie inklusive ihrem bipolaren Vater Andrew (Stephen Dillane). Fingscheidt, die zusammen mit der Autorin das Drehbuch geschrieben hat, erzählt die Suchtgeschichte dabei nicht chronologisch, sondern springt wie die Erinnerungen in der Zeit hin und her. Dabei sind die Schilderungen nicht neu in der Filmlandschaft, auch das Potpourri an Gefühlen, das die Süchtigen erleiden, ist bekannt. Aber Fingscheidt macht die Gefühle in aller Ambivalenz spürbar. Man fühlt mit Rona, aber auch mit den Menschen, die sie vor den Kopf stößt, mit. Das liegt natürlich auch an der fantastischen Wahl der Hauptdarstellerin. Besonders sind auch die Drehorte direkt auf den Orkney-Inseln und die Besetzung von Nebenrollen mit Laiendarsteller:innen oder Menschen mit Suchterfahrung. So ist »The Outrun« ein durch und durch sympathischer, emotionaler Film, den man auf der großen Leinwand gesehen haben muss.
Doreen
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„Du bist nicht queer!“ sagt Lee (Daniel Craig) zum Jüngling mit den Sommersprossen. Der Satz wird noch häufig fallen, ein Dutzend Mal mindestens. Queer or not queer – das ist hier die Frage. Selbst der schwule Held hat da so seine Identitätsprobleme: „Ich bin nicht queer. Ich bin nur körperlos“, kommentiert und kokettiert er bisweilen gerne. Im perfekten Outfit, mit beigem Leinenanzug, schicker Sonnenbrille samt einer Pistole im Halfter kann es William Lee in Sachen Coolness fast mit James Bond aufnehmen. In perfekter Lässigkeit stolziert er zu den „Nirvana“- Klängen von „Come As You Are“ durch die Straßen. Wie 007 ist dieser Lee ein chronisch einsamer Wolf, wenn es um die Liebe geht. Bei One-Night-Stands darf das Objekt der Begierde gerne halb so alt sein wie er selbst. Als Held des semi-autobiographischen William Burroughs-Romans steht Lee freilich weniger auf hübsche Girls als auf attraktive Boys.
Mit den Taschen voller Geld braucht der US-Bürger in Mexiko-Stadt nicht allzu lange, die einschlägigen Kontakte zu finden. Nach fünfzehn Filmminuten erlebt man Lee im Stundenhotel mit einem Sexarbeiter. Der Kick durch den gekauften Lustgewinn hält freilich nicht lange an. Ohnehin interessiert ihn ein junger Mann auf der Straße als Objekt der Begierde sehr viel mehr. Schon allein deshalb, weil der selbstbewusste Schönling namens Eugene Allerton sich ziemlich zugeknöpft gibt. Alle bewährten Flirt-Versuche scheinen vergeblich, ein Korb folgt dem nächsten. Aber schließlich hat der erfahrene Jäger den jungen Hirsch doch erfolgreich abgefüllt und sein Apartment abgeschleppt. Den Triumph genießt Lee lässig mit einer Kippe im Mund. Am Morgen danach gibt sich der junge Mann weiter widerspenstig. Provokativ flirtet Eugene in Lees Lieblingslokal lieber heftig mit seiner Schach-Partnerin als mit zu reden. Wütend vor Eifersucht und komplett bedröhnt, taucht der gekränkte, heftig verknallte Lover auf einer Party auf, wo die Sache eskaliert.
Ein zweites Kapitel wird aufgeschlagen, „Reisegefährten“ ist es überschrieben. „Zwei Mal in der Woche musst du zu mir nett sein“, lautet der Deal, damit Eugene seinen Gönner auf seiner Südamerika-Reise begleitet. Tatsächlich kommt es auf dem Trip zum wilden Sex. „Es hat dich doch nicht gestört?“ – „Geht schon!“ – „Aber du hast es doch ein bisschen genossen?“ klingen die Dialoge danach.
Im dritten Episoden-Streich geht’s dann ziemlich esoterisch und surreal zu, „Botanikerin im Dschungel“ heißt das Kapitel, in dem sich das Duo auf die Suche nach psychoaktiven Drogen macht. Eine alte Kräuterhexe im Dschungel hat die heiße Ware. Der Stoff hat es in sich. Da verschmelzen die Körper im wahrsten Sinn des Wortes miteinander. Dem psychedelischen Trip folgt ein enormer Kater – und der ist gekommen, um zu bleiben. Fortan sorgen Wahnvorstellungen für chronische Verunsicherung.
Mit dem verspielt sinnlichen Coming-of-Age-Drama „Call Me By Your Name“ gelang Luca Guadagnino vor sechs Jahren ein oscarprämierter Indie-Hit, der Timothée Chalamet den Durchbruch verschaffte. Wurde dort bei Sex-Szenen noch dezent weggeblendet, hält die Kamera diesmal gerne drauf. Der fünffache 007-Haudegen Daniel Craig hat sichtlich Spaß an solcher Freizügigkeit. Mit welch emotionaler Wucht er den ebenso verliebten wie verzweifelten Helden gibt, der zwischen Leidenschaft, Hoffnung und Enttäuschung balanciert, ist schon eine Klasse für sich. Der 31-Jährige Drew Starkey lässt sich vom charismatischen Gegenüber nicht beeindrucken, ganz im Gegenteil: Auch er zeigt sichtlich Vergnügen, im Liebespoker alle Trümpfe in der Hand zu halten und seinen Verehrer mit charmanter Lässigkeit gehörig zappeln zu lassen.
Mit gewohnter Stilsicherheit lässt Luca Guadagnino sein Mexiko-Stadt der 50er Jahre komplett in den legendären Cinecittà-Studios von Rom auferstehen. Derweil der irische Star-Designer Jonathan Anderson, wie schon bei „Challengers -Rivalen“, für den Wow-Effekt bei den Kostümen sorgte. Für magischen Realismus ist gleichfalls gesorgt. Etwa wenn das Paar sich gemeinsam „Orpheus“ von Cocteau anschaut und das Verlangen von Lee plötzlich surreale Qualitäten annimmt. Oder später, wenn sich im Drogenrausch, die beiden Körper real verschmelzen.
Mit „Queer“ gelingt Luca Guadagnino abermals ein flirrender Arthaus-Coup über rigoroses Verlangen. Auf seine geplante „Buddenbrooks“-Verfilmung kann man gespannt sein.
Dieter Oßwald
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Im „The Grill“ in Manhattan ist Hochbetrieb und aus der Kasse sind 800 Dollar verschwunden. Die Polizei soll angesichts der vielen illegal Beschäftigten in der Küche auf keinen Fall eingeschaltet werden, daher führen die Restaurantmanager ihre eigenen Befragungen und Nachforschungen durch. Alle Köche ohne Papiere werden befragt und Pedro (Raúl Briones) ist der Hauptverdächtige. Er ist ein Träumer und Unruhestifter und verliebt in Julia (Rooney Mara), eine Kellnerin aus New York, die sich nicht auf eine Beziehung mit ihm einlassen kann. Rashid, Besitzer von „The Grill“, hat versprochen, Pedro bei seinen Papieren und damit aus der Illegalität zu helfen. Doch ein schockierendes Geständnis von Julia provoziert Pedro zu einer Tat, die das Fließband der Küche ein für alle Mal zum Stillstand bringen wird.
Der bei der Berlinale gern gesehene mexikanische Regisseur Alonso Ruizpalacios bringt eine packende Adaption von „The Kitchen“, dem ikonischen Theaterstück von Arnold Wesker auf die große Leinwand. In eindrucksvollen Schwarzweißbildern, bewusst ästhetisiert, dicht und mit einem stimmungsvollen Sounddesign taucht das Publikum tief in das Innenleben eines Restaurants mit all seinen Dramen, Absurditäten, Momenten der Verzweiflung, sowie Menschlichkeit und Solidarität ein.
ak
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Iman ist gerade zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht in Teheran befördert worden, als nach dem Tod einer jungen Frau eine riesige Protestbewegung das Land ergreift. Obwohl die Demonstrationen zunehmen und der Staat mit immer härteren Maßnahmen durchgreift, entscheidet sich Iman für die Seite des Regimes und bringt damit das Gleichgewicht seiner Familie ins Wanken. Während der strenggläubige Familienvater mit der psychischen Belastung durch seinen neuen Job zu kämpfen hat, sind seine Töchter Rezvan und Sana von den Ereignissen schockiert und elektrisiert. Seine Frau Najmeh wiederum versucht verzweifelt, alle zusammenzuhalten. Dann stellt Iman fest, dass seine Dienstwaffe verschwunden ist, und er verdächtigt seine Familie…
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Manche Filme lassen sich schwer beschreiben. Beziehungsweise klingt die Beschreibung so absurd, dass Menschen sich vielleicht davon abschrecken lassen, den Film zu schauen. Diesem Impuls sollte man bei »Emilia Pérez« widerstehen, auch wenn hier Themen und Genre vermischt werden, die unvereinbar klingen.
Eine kleine Vorschau gefällig? In Kürze: Der mexikanische Kartellboss Manitas del Monte will aussteigen aus dem ewigen Hamsterrad aus Tod und Gewalt. Doch nicht nur das, denn er will auch eine Frau sein. Dabei soll die Anwältin Rita helfen, die selbst im Hamsterrad aus Korruption sitzt. Beide Ausstiege gelingen und die Frauen sehen sich erst nach Jahren wieder. Doch nun hat Emilia Pérez, wie Manitas als Frau heißt, eine andere Aufgabe für Rita.
Der französische Regisseur Jacques Audiard verbindet diese beiden gegensätzlichen Themen mit dem Genre des Musicals, was wunderbar aufgeht. Ja, die Entstehung des Films ähnelte wohl sogar eher der Genese einer Oper als der eines Films; der Streifen wurde größtenteils auf einer Soundstage in Paris gedreht. Für das Ergebnis bekam Audiard in Cannes in diesem Jahr den Preis der Jury, während das Schauspielerinnenensemble Karla Sofía Gascón, Zoe Saldaña, Selena Gomez und Adriana Paz den Preis für die beste Darstellerin zugesprochen bekam. Völlig zu Recht. Saldaña und Gomez hat man selten so kraftvoll gesehen und der musikalische Rhythmus des Films bleibt auch nach dem Verlassen des Kinosaals im Ohr. Ein echtes Kinoerlebnis, wie es länger keines gegeben hat.
mana
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Ein Sniper ist unterwegs in Österreich, er macht Jagd auf Passanten, seine Opferauswahl erscheint dabei sehr willkürlich. Täter ist der als „Mozart fürs Geld“ bezeichnete Hochfinanz-Großinvestor Amon Maynard (Laurence Rupp). Da er über dem Gesetz zu stehen scheint, hat er sich die Jagd auf Menschen ohne Aufenthaltspapiere als Hobby auserkoren. Moralische Grenzen gelten für ihn nicht, sein sagenhafter Reichtum stellt ihn über jegliches Regelwerk, könnte er sich doch immer freikaufen. Amons Ehefrau Viktoria (Ursina Lardi) hingegen vertritt als Anwältin Menschen, die dem Magnaten als potentielle Zielscheiben dienen. Doch auch Viktorias berufliche Beweggründe entpuppen sich als unlauter, als reine PR-Veranstaltungen, um ihrer Familie, trotz des Business- und Freizeittreibens ihres Mannes, den Glanz von sozialem Engagement zu verleihen. Tochter Paula (Olivia Goschler), mit der verqueren Logik ihrer Eltern aufgewachsen, beschreibt die unglaublich zynischen Vorgänge aus dem Off und kennt augenscheinlich kein anderes Leben.
Das Regie-Duo Daniel Hoesl und Julia Niemann ringt dem populären Thema des dekadenten Lebens der Superreichen eine eigenständige Klangfarbe ab. »Veni Vidi Vici« (produziert übrigens von Ulrich Seidl) ist ambitionierte Spätkapitalismus-Kritik, die auch mit Blick auf internationale Filme wie Zoe Kravitz‘ »Blink Twice«, Ruben Östlunds »Triangle of Sadness« oder Mark Mylods »The Menu« überzeugt. Cleane artifizielle Bilder, gepaart mit der Klangkunst Manuel Rieglers, sorgen in Verbindung mit einem perfekt besetzten Ensemble für satirisches Kinovergnügen.
Grit Dora